Pressemitteilung 27.Juni 2009

Skurriler Prozess gegen eine Tierfreundin in Passau

Nicht nur Gegenstand, sondern auch Ablauf des Verfahrens höchst merkwürdig

Frau Marie-Antoinette de Contes ist naturverbunden und liebt Tiere. Als die Französin von München nach Niederbayern in einen kleinen Weiler der Gemeinde Haarbach zieht, freut sie sich insbesondere, dass ihre Katzen ein ungefährdetes, freies und glückliches Leben führen können, denn ringsum gibt es keine Asphaltstrasse, sondern nur Wiesen, Felder und Wald. Dennoch verschwinden ihre Katzen nach und nach spurlos. Tierschutzorganisationen machen sie darauf aufmerksam, dass in Deutschland jedes Jahr 400.000 Katzen von Jägern erschossen werden. Das Bayerische Jagdgesetz aus dem Jahr 1934 erlaubt tatsächlich den mutwilligen Abschuss von Haustieren. Der Patron der Jäger ist nämlich nicht jener Hubertus, sondern Hermann Göring.

Art 42, Bayerisches Jagdgesetz:

„Die zur Ausübung des Jagdschutzes berechtigten Personen sind befugt, (...) wildernde Hunde und Katzen zu töten. Katzen gelten als wildernd, wenn sie im Jagdrevier in einer Entfernung von mehr als 300 Meter vom nächsten bewohnten Gebäude angetroffen werden. (...)“ .

Kurz vor dem Verschwinden der 4. Katze hört Marie-Antoinette de Contes einen Schuss ganz in der Nähe. Daraufhin spricht sie den Jagdpächter darauf an und bittet ihn, ihre Katzen nicht zu töten. Einen Monat später ist die 5. Katze verschwunden. Einige Monate danach verletzt der streunende Jagdhund eines Jägers auf der Hausterrasse eine ihrer Katzen schwer. Sechs Wochen später wird ein Jäger beobachtet, als er die sechste Katze der Tierfreundin erschießt.

Nun ist das Maß voll. Die Französin überlegt, wie sie sich gegen den systematischen, legalen Abschuss ihrer Katzen durch Jäger wehren kann. Selbstverständlich will sie ihre Katzen nicht Tag und Nacht einsperren, wie ihr die Jagdbehörde hämisch empfiehlt.

Statt dessen beschließt die Tierfreundin, das Leben ihrer Katzen zu schützen, indem sie dahin spazieren geht, wo ihre Katzen sich gern aufhalten und diese immer wieder mit ihren Namen ruft.

Dies aus folgendem Grund: Zum einen wollen Jäger nicht gesehen werden, wenn sie Haustiere erschießen. Zum anderen besagt ein juristischer Kommentar, dass Jäger selbst in einer größeren Entfernung als 300 Meter keine Katze erschießen dürfen, die sich „in Begleitung oder im Einwirkungsbereich eines Menschen“ befindet. Mit anderen Worten: hier ist das Gesetz auf ihrer Seite.

Jäger und Jagdbehörde versuchen die täglichen Spaziergänge der Tierfreundin in „Jagdstörung“ umzumünzen.

Der Tierfreundin wird vorgeworfen, durch ihre „lärmenden“ Spaziergänge das Wild zu verscheuchen und dadurch den Jagderfolg der Jäger zu vereiteln. Das zuständige Landratsamt schickt ihr ein Schreiben, in dem 16 Jagdstörungen aufgelistet sind. Marie-Antoinette de Contes nimmt dazu Stellung und belegt mit stichfesten Beweisen, dass in mehreren Fällen die Vorwürfe nicht zutreffend sein können. Wie sie später erfährt, lädt das Landratsamt daraufhin die Jäger zu „ergänzenden Zeugenvernehmungen“. Kurze Zeit danach flattert ihr ein Bußgeld-Bescheid wegen Jagdstörung über 633 Euro ins Haus. Von den 16 ursprünglichen Tatbeständen finden sich darin nur 4 unverändert wieder. Bei allen anderen wurde die Zeitangabe, die Örtlichkeit oder der Tathergang verändert. Zu den modifizierten Vorwürfen wird die Beschuldigte nicht angehört.

Sie sieht nicht ein, bestraft zu werden, weil sie den Abschuss ihrer Katzen verhindert und legt Einspruch ein. Am 18. Juni 2009 muss sich deshalb das Amtsgericht Passau mit diesem ungewöhnlichen Fall beschäftigen.

Nach Anhören der Zeugen des Landratsamts (d.h. der Jäger) erklärt Richter Fruth, dass in mindestens 15 der 16 Fälle keine strafbare Verfehlungen erkennbar seien, denn die Jäger gaben zu, dass sie kein Tier vor der Flinte hatten, als die Tierfreundin auftauchte. Diese habe ihnen somit keinen Jagderfolg vereitelt. Im letzten Fall will einer der Jäger beweisen, dass er tatsächlich wegen der Tierschützerin ein Tier nicht erlegen konnte. Und zwar anhand eines Protokolls, das zu Hause liege. Ziemlich seltsam, denn trotz der intensiven Bemühungen dieses Jägers der Tierfreundin Jagdstörungshandlungen nachzuweisen, wurde dieses Protokoll bis dahin nirgendwo vorgezeigt oder erwähnt. Nicht einmal bei seiner „ergänzenden Zeugenvernehmung“ legte er es dem Landratsamt vor, obwohl es darum ging, die Vorwürfe gegen die Tierschützerin hieb- und stichfest zu machen. Und zum Gericht, das ihn in der Sache geladen hatte, brachte er dieses wichtige Dokument auch nicht.

Nun weiß der Jäger genau, was in seiner Notiz stehen muss, und es wird ihm eine Woche Zeit gegeben...

Beim zweiten Termin am 25. Juni 2009 wird der Prozess nun wirklich skurril. Gleich zu Beginn fällt das deutlich veränderte Verhalten des Richters auf.

Der Jäger legt dem Richter zwei Notizen vor, aus denen angeblich hervorgehe, dass Frau de Contes ihn an zwei Tagen, als er auf einem Hochsitz saß, daran gehindert habe, ein Reh abzuschießen. Richter Fruth lehnt es aber ab, die zwei Notizen des Jägers vorzulesen. Auch die Tierfreundin und ihr Anwalt erfahren nicht, was die Beweisstücke genau enthalten.

Der Haken dabei:

Die genannten Fälle von Jagdstörung sind im Bußgeld-Bescheid gar nicht enthalten und die Betroffene wurde dazu nicht angehört!

Obwohl die neuen Vorwürfe im Bußgeld-Bescheid nicht enthalten sind, sind diese für Richter Fruth sehr wohl Gegenstand des aktuellen Verfahrens...

Auf zahlreiche Fragen kann der Zeuge gar nicht antworten, aber er macht auch wichtige Aussagen:

  1. Er habe sein Auto versteckt, damit die Tierfreundin nicht merke, dass er bei der Jagd ist.
  2. Der Hochsitz, auf dem er saß, sei sehr stark bewachsen. Marie-Antoinette de Contes habe nicht sehen können, dass er besetzt sei.
  3. Als Marie-Antoinette de Contes an seinem Hochsitz vorbeiging, habe er dennoch sie nicht angesprochen und darauf aufmerksam gemacht, das sie die Jagd störe.

Dabei soll die Tierfreundin sich dennoch schuldig gemacht haben, die Jagd vorsätzlich gestört zu haben.

Der Richter weigert sich, die Betroffene zu diesen neuen Vorwürfen anzuhören und droht sogar mit einem Ordnungsgeld, wenn sie nicht den Mund hält.

Als Vertreterin des Landratsamts hatte Frau Verena Schwarz nach dem ersten Verhandlungstag das Landwirtschaftsministerium eingeschaltet. Hat etwa dieses nun den Richter unter Druck gesetzt?

Obwohl Marie-Antoinette de Contes keinerlei Jagdstörung nachgewiesen wird und logischerweise ein Freispruch zu erwarten wäre, stimmt die Tierfreundin der Einstellung des Verfahrens zu, denn im Angesicht dessen, was sich bisher abspielte, müsste sie sich bei einer Fortsetzung des Verfahrens auf alles gefasst machen, zum Beispiel auf eine Verurteilung zu einer Geldbuße unter der Berufungsgrenze.

Weitere Berichte unter:

Bürgerinitiative Haarbacher Trommel*, Oberthambach 13, 94542 Haarbach, Tel. 08543/91 99 00

Webseite: www.haarbacher-trommel.de

E-Mail: kontakt@haarbacher-trommel.de

V.i.S.P: Werner Ernst, Oberthambach 13, 94542 Haarbach

* Die Bürgerinitiative Haarbacher Trommel macht Missstände vor allem aus der Haarbacher Region bekannt und veröffentlicht Infos, die weder im Haarbacher Gemeindeblatt noch in der Passauer Neuen Presse zu finden sind. Jeder, der mitmachen will, ist willkommen.

Vervielfältigung, Veröffentlichung und Weitergabe erwünscht!

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